Spinalanästhesie
Kreuzstich
 
Am 24. August 1898 führte der Chirurg August Bier (1861-1949) in Kiel nach einem gegenseitigen Versuch mit seinem Assistenten O. Hildebrandt (1868-1954) die Spinalanästhesie erfolgreich in die klinische Praxis ein. Es wurden 2 ml einer 1%igen Cocain-Lösung rückenmarksnah (also in Strukturen der Wirbelsäule) injiziert. [1]
Der Versuch gelang insofern, als die erwünschte Wirkung eintrat. Die beiden Wissenschaftler testeten den Effekt durch Nadelstiche, „einen starken Schlag mit einem Eisenhammer gegen das Schienbein“ und andere Schmerzreize. Es wurden dabei aber keine Schmerzen verspürt. Nach einer Stunde zeigten sich jedoch bei Hildebrandt starke Kopfschmerzen, gefolgt von Erbrechen. Nach heutigem Wissen ist bekannt, dass dies durch einen Liquorunterdruck verursacht wird; ein Problem, das gelegentlich auch heute noch nach rückenmarksnahen Anästhesien beobachtet wird.
 
Die Spinalanästhesie gehört neben der Epiduralanästhesie zu  den rückenmarksnahen Narkoseverfahren. Die Schmerzempfindung wird in der unteren  Körperregion ausgeschaltet. Im Gegensatz zur Vollnarkose wird der Patient dabei nicht in Tiefschlaf versetzt. Viele Menschen kennen diese Narkoseform auch unter dem Begriff Kreuzstich.


Das Narkosemittel wird in den so genannten Subarachnoidal-Raum injiziert. Dieser mit Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) gefüllte Raum befindet sich zwischen dem knöchernen Wirbelkanal und dem Rückenmark. Zwei Häutchen, die zusammen die weiche Rückenmarkshaut bilden, schließen diesen liquorgefüllten Raum dicht ab.



Das in den Subarachnoidalraum eingespritzte örtliche Betäubungsmittel (Lokalanästhetikum) unterbricht die Schmerzleitung im Bereich des Rückenmarks. Betäubt werden die dünnen Nervenfasern, die aus dem Rückenmark abzweigen. Sie werden von der mit örtlichem Betäubungsmittel vermischten Rückenmarksflüssigkeit umspült und dadurch kann das Anästhetikum direkt einwirken. Es wird kein Betäubungsmittel in das Rückenmark gespritzt!

Von den unterhalb der Betäubung liegenden Körperregionen dringt keine Schmerzinformation zum Gehirn vor. Der Patient nimmt damit keinen Schmerz wahr.
Typische Operationen, die sich hierfür eignen, sind beispielsweise Operationen am Bein, an der Hüfte, in der Leiste und im Bereich von Harnröhre und Harnblase, Gefäßoperationen, oder Analbereich.
Bei einer Spinalanästhesie darf die Blutgerinnung nicht beeinträchtigt sein, sonst steigt das Risiko Hämatome(Blutergüsse) und in weiterer Folge kommt es zu Nervenschädigungen, bis zum gefürchteten Querschnitt, als schwierigste Komplikation. Daher dürfen Patienten, die kurz vor der Operation blutgerinnungshemmende Medikamente (insbesondere Azetylsalizylsäure, Clopidogrel und wie Warfarin oder Marcumar, aber auch Phytopharmaka) eingenommen haben, keine Spinalanästhesie erhalten.

Viele Patienten haben Angst davor, wach in einem Operationssaal zu liegen. Man kann aber auch schlafen oder sogar über Kopfhörer Musik hören und so ohne Wahrnehmung des Umfeldes die Operation „erleben“.

Durchführung:
Der Patient muss dazu sitzen oder auf der Seite liegen. Meistens wird es in sitzender Position durchgeführt, da dies für den Anästhesisten einfacher ist. Der Patient muss einen so genannten Katzenbuckel machen, das heißt einen ganz runden Rücken, damit wir die Dornfortsätze besser spüren und damit eine gute Orientierung für die Punktionsstelle haben. Die Einstichstelle wird sehr gründlich desinfiziert, danach wird eine örtliche Betäubung unter die Haut gespritzt. Dann sticht (punktiert) der Arzt unter sterilen Bedingungen mit einer hauchdünnen Nadel zwischen zwei Lendenwirbelkörpern in den mit Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit gefüllten Raum (Spinalkanal) im Wirbelkanal.



Durch Einspritzen einer kleinen Menge von Lokalanästhetikum, werden die Nervenfasern umspült und damit wird die Schmerzleitung zum Gehirn unterbrochen. Die Ausdehnung der Spinalanästhesie kann durch die Menge des Lokalanästhetikums und durch die Änderung der Lage des Patienten beeinflusst werden. Nach etwa 15 Minuten ist die endgültige Ausdehnungsgrenze der schmerzfreien Körperregion erreicht, der Patient empfindet keine Schmerzen mehr. Man fühlt zwar sehr wohl, wo man berührt wird, empfindet aber nichts dabei. Ein Faktum, dass ganz wichtig ist, denn viele Menschen verwechseln das in der Angst oft mit eventuell noch folgenden Schmerzen.



Die Spinalanästhesie gilt als ein sehr sicheres Verfahren, das in Österreich viele tausendmal pro Jahr angewendet wird. Mögliche, aber seltene Komplikationen sind:
  • Postspinaler Kopfschmerz: Tritt bei jungen Patienten auf (ca. 10%), heute aber bei entsprechend dünnen Nadel auch schon wesentlich seltener, gut therapierbar.
  • Blutdruckabfall: durch eine Weitstellung der Gefäße, kann aber durch entsprechende Maßnahmen schnell behoben werden. Daher kann es auch zu vorübergehender
  • Übelkeit und erbrechen kommen.
  • Störungen der Atmung: Wenn die Patienten zu sehr sediert werden, oder wenn die Spinale „aufsteigt“, das heißt auch den Zwerchfellnerv (Phrenicus) teilweise oder ganz ausschaltet.
  • Neurologische Störungen: Hier werden temporärer und schwere Störungen unterschieden, wichtig ist es sie rechtzeitig zuerkennen und entsprechend z therapieren. Sie treten meist bei Nichtbeachten der Kontraindikationen auf.
  • Cauda equina Syndrom: Ist charakterisiert durch Harn und Stuhlverhalten.
  • Rückenschmerzen: sind die am Häufigsten auftretenden Beschwerden, deren Ursache leider noch nicht geklärt ist.
  • Einseitige Anästhesie, oder Versager trotz einwandfreier Technik, Umstieg zur Allgemeinanästhesie.
  • Länge des Eingriffes: Die Wirkung hält ungefähr drei Stunden an
Die Liste der Komplikationen der Vollnarkose könnte ebenso angeführt werden und wäre ebenso lang, wenn nicht noch länger.
Insgesamt sind Komplikationen, die tatsächlich in kausalem Zusammenhang mit der Spinalanästhesie stehen, relativ selten. So wurde in der Untersuchung von Scarborough an 65677 Patienten eine Inzidenz der Komplikationen von weniger als
0,18 Prozent gefunden Auch in den Studien von Dripps und Vandam sowie Sadove und Mitarbeitern konnte gezeigt werden, dass mit Komplikationen weniger häufig zu rechnen ist, als man bis dahin angenommen hatte.
 
Wo liegen nun die Vorteile?
 
Manche Menschen wollen das Bewusstsein nicht verlieren
Geringere Medikamentenbelastung
Bei pulmonalen Erkrankungen geringe Belastung, Spontanatmung bleibt erhalten!!!
Nach Insulten: es kommt zu keiner weiteren Belastung des ZNS, zeitliche und örtliche Orientierung kann ganz bis teilweise erhalten bleiben.
Bei neuromuskulären Erkrankzngen
Rasche Mobilisierung, besonders im ambulanten Bereich, damit auch ökonomische Vorteile.
Sectio, größter Vorteil, sollte aber gesondert besprochen werden, da es alleine komplex genug ist.
 
Aufstehen nach einer Spinalanästhesie sollten sie niemals alleine, da sie nicht sicher sein können, ob die Motorik wieder ganz vorhanden ist.
 
Kontraindikation
Absolut
            Ablehnung des Patienten
            Lokale Infektion
            Gerinungsstörungen
            Allergien
            Erhöhter Hirndruck
-          Chronischer Kopfschmerz
-          Spezielle Herzerkrankugen
Relativ:
            Volumenmangel
            Erkrankungen der Wirbelsäule
            Hämodynamisch wirksame Aortenstenose
 
 
 
 
 
Instrumentarium zur Spinalanästhesie:
·      Spinalnadel, Abdecktuch, sterile Handschuhe, Waschtupfer, 5 ml Spritze, LA, Pflaster
·      Beatmungsmöglichkit, Infusionseinrichtung, Absauggerät, Kreislaufüberwachung, Laryngoskop, Tubus, Atropin, Effortil, Medikamente zur Notfallbehandlung
·       
 
Quellennachweis:
 
RegionalanästhesieLokalanästhesieRegionaleSchmerztherapie,Thieme1994,H.Ch.
Niesel
The Pain Drugs Handbook, Mosby,1995,Sota Omoigui
Local Anesthetic Toxicity: An Update,Quinn Hogan, Regional Anesthesia 21(6S):43-50,1996
Bilateral severe pain at L3-4 after spinal anesthesia with hyperbaric 5% lignocaine R.Rodriguez, British J. of Anesth 1996;76:328-329
Transient Radicular Irritation after Hyperbaric Spinal Lidocaine,S.J. Holman,Regional Anesthesia Vol 22No 2S 1997:16
Vorbereitung des Patienten zur Regionalanästhesie, M. Thöns, M.Zenz Anästhesiologie & Intensivmedizin 9 (38), 464-469, 1997
 
 
 
 
 
 
 
 

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